New Work, das war’s

Moden kommen und gehen. Das ist bei Kleidung so, bei Musik, Architektur und eben auch im Management. Ist ja auch nichts grundsätzlich Schlechtes. Eine Mode sorgt dafür, dass Dinge und Konzepte populär werden, dass man sie kennt, dass viele Leute darüber reden. Egal, wie sie dazu stehen. An wichtigen Moden kommt man nicht vorbei.

Heute erreicht mich die Pressemitteilung, dass sich die Muttergesellschaft von XING, die XING SE in New Work SE umbenennt:

Hintergrund der geplanten Umfirmierung ist die Tatsache, dass sich das Unternehmen bereits seit Jahren der Vision einer besseren, menschlicheren Arbeitswelt verschrieben hat. Zu diesem Zweck veranstaltet die XING SE zum Beispiel jedes Jahr das führende Event zum Thema Zukunft der Arbeit, die New Work Experience (NWX) in der Elbphilharmonie Hamburg und bietet den eigenen Kunden Services und Produkte, damit sie so arbeiten können, wie es zu ihren individuellen Lebensentwürfen passt. Die bekannten Produktmarken XING, kununu, InterNations oder Prescreen werden nach der Umfirmierung weiter Bestand haben, sodass sich für Mitglieder und Nutzer dadurch nichts ändert.

Ich weiß nicht, warum, aber bei mir ging die Energie sofort auf Null, als ich das gelesen habe. Ist ja ihr gutes Recht, XING kann sich nennen, wie sie wollen. Tatsache ist, dass sie sich mit der Umfirmierung in „New Work SE“ jetzt offensiv auf einen Trend draufsetzen mit der – meiner Meinung nach – klaren Absicht, den Begriff wenigstens für den deutschsprachigen Raum zu monopolisieren. Das geht jetzt schon los mit dem Flaggschiff-Event NWX, das seit drei Jahren jedes Jahr stattfindet. Das wird sich fortsetzen in einem entsprechenden Branding der Tochtermarken wie kununu und sicher auch in einem entsprechenden Weiterbildungsportfolio (New Work Coach, New Work Facilitator, New Work irgendwas, die Marketing-Köpfe glühen wahrscheinlich schon).

Das macht mich irgendwie traurig. Bin halt so ein idealistischer Sozial- und Psycho-Softie, der sieht, dass der ursprüngliche New Work – Gedanke langsam, aber sicher den Bach runtergeht. Der ist mir persönlich eben wichtig. Aber so ist das: Ein Trend wird entdeckt, nimmt Fahrt auf, und dann wird er kommerzialisiert – mehr oder weniger gnadenlos, bis das Letzte aus ihm rausgepresst ist. Wenn er dann noch so ein bisschen vor sich hinzuckt, kommt schon der nächste Trend ums Eck. Und das Ganze geht von vorn los.

Ich habe im Dezember auf einem Kongress gesagt, New Work würde dann zu einer Revolution und nicht zu einem Rohrkrepierer, wenn man die sozialrevolutionäre Seite mitdenkt, wenn man die Grundfesten der Gesellschaft, das scheinbar Selbstverständliche in Frage stellt (zum Beispiel das System der Lohnarbeit). Echte New Worker üben Kritik am System, nicht innerhalb des Systems. So etwas kann man von XING natürlich nicht erwarten. Die wollen Geld verdienen und das sollen sie auch. Hab‘ ich keinen Schmerz mit. Leider werden sie das New Work – Konzept mit ihrem Move weiter verflachen und verwässern.

Wäre New Work eine Aktie, würde ich jedem raten, jetzt auszusteigen. Das Hoch ist erreicht, nun kommt der langsame Abstieg. Das merke ich auch an den Vortragsanfragen. New Work ist mittlerweile so Mainstream (allerdings in einer platten Business-Variante), da kann irgendwie jeder mit. Als ich im Herbst 2016 mein New Work – Buch Arbeit – die schönste Nebensache der Welt veröffentlichte, war das Thema noch neu und aufregend. Jetzt ist es Pommes, die gibt’s auch an jeder Straßenecke. Als Denker und Vorkämpfer hat sich das Thema damit für mich erledigt, nun übernehmen andere. Leute, die businesstauglicher denken und servieren. New Work, das war’s.

Disclaimer: Ich schreibe ab und an als „XING Insider“ zum Thema New Work auf deren Plattform.

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5 Gedanken zu „New Work, das war’s

  1. Danke Dir für diesen klugen Beitrag. Es ist traurig, dass xing sogar die Bewegung, wo es aus meiner Sicht u. a. auch um Gleichstellung aller geht, hier seine Macht demonstriert. Es ist klug, keine Frage. Nur so wird der Begriff mit viel weniger Inhalt gefüllt oder bekommt eine neue Richtung. Vielleicht braucht es dann einen neuen Begriff für diese Bewegung, die sicherlich die Kraft dazu hat, die Gesellschaft zu ändern:-)

    1. Vielleicht taucht wirklich irgendwann ein neuer Begriff auf. Für jetzt dürfen wir einfach nicht die Kraft vergessen, die hinter dem echten New Work steckt: eine Befreiung zur Arbeit, die man „wirklich, wirklich will“, ein sinnvoller und inspirierender Weg der Zusammenarbeit und die Frage nach einer gerechten und sozialen Gesellschaft.

  2. Was für ein trauriger Schritt.
    Mir fehlen einfach die Worte.

    Einer Innitiative den Namen „klauen“ schrieb doch gerade jemand dazu – kann man machen, wirkt für mich aber echt hilflos.

    Ob das über die ganzen Fehlentscheidungen aus so vielen Jahren hinweg hilft?

    Ich war begeistert bei OpenBC, da die Idee so gut war, dann aber leider so schlecht umgesetzt wurde.

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