New Work: Teddybären-Romantik oder hartes Business?

Mein Kollege Mark Poppenburg hat vor einigen Tagen in einem Newsletter über die Corona-Krise folgendes geschrieben:

Jetzt ist die Zeit, Eure Mannschaft auf das vorzubereiten, was nach Corona kommt. Denn diese Krise ist der Bereinigungsmechanismus für die agile Szene und die New Work Filterblase. Wofür ich seit Jahren werbe, wird nun zum Sachzwang: Jetzt zeigt sich, wer verstanden hat, dass es bei New Work nicht um romantische Glücksbewirtschaftung gehen kann, sondern um das was Menschen im Kern antreibt: Wirksame Arbeit. Kundennutzen. Erfolg.

Mein erster Gedanke war: Stimmt, darum geht es in der Wirtschaft: Wirksame Arbeit. Kundennutzen. Erfolg. Kann ich voll unterschreiben.

Mein zweiter Gedanke war: Was versteht Mark wohl unter romantischer Glücksbewirtschaftung? Und wieso soll das nichts mit wirksamer Arbeit und Erfolg zu tun haben?

Mein dritter Gedanke war: Hoppla, da werden unterschiedliche Ebenen vermischt und gegeneinander ausgespielt. Und da wurde ich dann so unruhig, dass ich dachte: Dazu musst du was schreiben.

Wer meine Artikel ab und zu liest, weiß wahrscheinlich, dass ich New Work als ein gesellschaftliches Konzept verstehe. Das heißt: Home Office ist nicht automatisch New Work, Agilität ist nicht automatisch New Work, Obstteller ist nicht automatisch New Work. New Work bedeutet vielmehr eine grundlegend neue Interpretation von Arbeit in unserer Gesellschaft – wie ich es zum Beispiel in meinem Buch „Arbeit – die schönste Nebensache der Welt“ dargestellt habe. Der Titel wurde damals extra ein wenig blumig-provokant gewählt, um den „Blut, Schweiß und Tränen“ – Mythos, der sonst so gerne um Arbeit gewebt wird, ein wenig einzureißen. Ich weiß nicht, wie Mark das sieht, aber wenn jemand von New Work als „romantische Glücksbewirtschaftung“ spricht, scheint für mich in dieser Sprache genau dieser Mythos durch. Endlich Schluss mit den Wohlfühl-Guzzis und Purpose-Poplern. Jetzt wird Tacheles geredet und endlich wieder Kundennutzen produziert!

New Work in Unternehmen bedeutet nach meinem Verständnis nach die Verfolgung von fünf Prinzipien: Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und Soziale Verantwortung – so, wie wir das bei humanfy in unserer New Work Charta dargelegt haben. So sind beispielsweise die Dinge, die Mark anspricht – wirksame Arbeit und Kundennutzen – wichtige Bestandteile unserer Definition von „Unternehmenssinn“. Und vom Unternehmenssinn gibt es eine direkte Verbindung zur unternehmerischen, finanziellen und kulturellen Wertschöpfung (siehe hierzu diesen ausführlichen Artikel inklusive Grafik). Nur: Das ist lediglich ein Teil von dem, was New Work bedeutet. In diesem Sinne versucht Mark meiner Meinung nach, zwei Dinge gegeneinander zu stellen, die auf unterschiedlichen Ebenen liegen und die nicht gegeneinander ausgespielt werden können und sollen.

New Work ist das große Ganze, es beruht auf Prinzipien wie Freiheit und Selbstverantwortung und ist nicht zuletzt ein Gesellschaftsmodell. Zur Ausgestaltung von New Work in Wirtschaft und Gesellschaft gehört selbstverständlich auch wirksame Arbeit, Kundennutzen und unternehmerischer Erfolg. Keine Frage. Doch New Work stellt duchaus auch die „romantisierenden“ Fragen nach Glück, einer solidarischen Wirtschaft und einer sinnvollen „Arbeit, die du wirklich, wirklich willst“ (überhaupt DAS Kernkonzept von New Work“. Wir sollten New Work weiterdenken als in seinen wirtschaftlichen Dimensionen. Sonst bleibt es, wie es der New Work – Begründer Frithjof Bergmann einmal bezeichnet hat, „Lohnarbeit im Minirock“. Und das hat das Konzept wirklich nicht verdient.

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4 Gedanken zu „New Work: Teddybären-Romantik oder hartes Business?

  1. Lieber Herr Väth,

    Ihre Ansicht, dass New Work weiter gedacht werden sollte, als in seinen wirtschaftlichen Dimensionen teile ich. Wenn ich mir die Praxis in vielen Unternehmen ansehe, würde ich sogar noch einen Schritt weitergehen. Ich würde sogar sagen, dass im Kapitalismus der Begriff „New Work“ instrumentalisiert wird. Denn ich beobachte häufig, wie man unter dem Deckmantel von „New Work“ versucht, Arbeitsprozesse einfach noch schlanker zu gestalten. D.h. es geht im Kern gar nicht um Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und Soziale Verantwortung für und von den Mitarbeitenden, sondern darum, wirtschaftlich noch erfolgreicher zu sein (Umsatz, Rendite etc.). Das ist ja per se nicht schlimm und eigentlich auch die Aufgabe von Unternehmen – zumindest im Kapitalismus. Ich finde es einfach schade, dass dazu das Schlagwort „New Work“ eingesetzt wird und die Mitarbeitenden dann auf der Strecke bleiben. Bspw. der von Ihnen genannte Obstteller eingesetzt wird und Arbeitsplätze (im ersten Schritt Büroplätze, dann Mitarbeitende aufgrund weniger Hierarchiestufen) reduziert und so Kosten gespart werden. D.h. der eigentliche Kern von New Work wird nicht umgesetzt. Noch einmal, Kosten sparen und Gewinn zu generieren liegt ja in der Aufgabe von Unternehmen – ich störe mich mehr daran, dass viele Maßnahmen mit „New Work“ begründet werden.

    Die Aussage von Ihrem Kollegen Mark Poppenborg zielt in eine ähnliche Richtung. New Work als Vehikel, um ein (wirtschaftlich) erfolgreiches Unternehmen zu werden (sofern ich die Aussage richtig verstanden habe und im Original nicht noch weiterer Text folgt). Zudem würde ich die Aussage inhaltlich bezweifeln. So würde ich behaupten, dass doch eher wenige Menschen von einem „Kundennutzen“ angetrieben werden oder doch sehr indirekt. Aus meiner Sicht bezieht sich diese Aussage sehr stark auf die Start-up-Szene. Dort würde ich das vielleicht unterschreiben.

    Mich würde Interessieren, wie Ihre Erfahrungen in der Praxis sind? Sehen auch Sie viele Unternehmen, die unter dem Deckmantel „New Work“ bspw. einfach Kosten sparen? Oder verfolgt die Mehrheit der Unternehmen tatsächlich die fünf Prinzipien von New Work?

    Beste Grüße
    Christian Imhof

    1. Lieber Herr Imhof,

      der New-Work-Begründer Frithjof Bergmann hat vorletztes Jahr im „personalmagazin“ die Versuche vieler Unternehmen, New Work zu machen, als „Lohnarbeit im Minirock“ bezeichnet. Das trifft es meiner Meinung schon ganz gut.

      Es ist von vielen Unternehmen gar kein böser Wille im Spiel, wenn sie New Work als reine Effizienz-Maßnahme ansehen. Es gibt da meiner Erfahrung nach viel Unwissen und fehlende Aufklärung. Das bekomme ich auch bei Vorträgen oft als Feedback: Da sind die Leute dankbar, dass ihnen jemand mal den größeren Rahmen aufzieht und ihnen auch mal Themen wie „Arbeit, die man wirklich, wirklich will“ erschließt. Trotzdem gebe ich Ihnen insoweit Recht, als New Work immer in Gefahr ist, als Deckmäntelchen über Rationalisierungs- oder Effizienz-Maßnahmen gelegt zu werden.

      P.S.
      Ich weiß nicht, ob Sie es als Leser mitbekommen haben: Ich führe diesen Blog auf der Seite humanfy.de weiter: https://humanfy.de/blog. Vielleicht haben Sie ja Lust, da mal „vorbeizuschmökern“.

      Herzliche Grüße,
      Markus Väth

      1. Lieber Herr Väth,

        vielen Dank für Ihre Antwort. Spannend, dass Sie in der Praxis viel Unwissen erleben. Das finde ich fast ein wenig erschreckend. D.h. etwas einzuführen, das man gar nicht en Detail verstanden hat. Aber ich kann mir das gut vorstellen. Es gibt ja auch in der Beratungsbranche einige, die New Work empfehlen und die eigentliche Idee – also von Bergmann – gar nicht kennen und New Work lediglich als „Toolbox“ und „neue Methoden der Zusammenarbeit“ verstehen. Ist ja im ersten Schritt auch nicht weiter schlimm, man stößt dann halt an seine Grenzen, wenn man die Ideen von New Work umfangreicher implementieren möchte. Und das finde ich sehr schade, denn New Work (wie Sie es auch verstehen) würde ja gesellschaftlich große Chancen bieten!

        Das Thema Effizienz in Unternehmen öffnet noch ein weiteres, großes Feld, zu dem eine breite Diskussion lohnenswert wäre. Denn der Begriff wird regelmäßig genutzt, um irgendwelche Maßnahmen zu rechtfertigen – denn gegen Effizienz kann ja niemand sein. Zudem wird in der Praxis häufig vergessen, dass der Effizienzbegriff immer für eine Gruppe/Akteure definiert werden muss, um klare Aussagen über einen möglichen Effizienzgewinn machen zu können.

        Mir liegen leider keine empirischen Daten vor, aber aus meiner Berufspraxis würde ich vermuten, dass einige „Effizienzgewinne“ in Unternehmen gar keine sind. Sondern lediglich die eingesetzten Stunden der Mitarbeiter nicht oder ungenau erfasst werden, oder die vielen geleisteten Überstunden nirgends auftauchen. Und dann spart Unternehmen XY beispielsweise im Einkauf Summe Z im Vergleich zum Vorjahr und schliesst daraus, dass der neue Prozess des Einkaufs dazu geführt habe. Dabei tauchen die vielen Stunden, die die Mitarbeiter anderer Abteilungen für diesen Prozess einsetzen müssen, nirgends auf – um nur ein Beispiel zu nennen. Ein spannendes Forschungsfeld! Und auch spanend vor dem Hintergrund von New Work.

        Ja, den Blog auf humanfy kenne ich auch schon. Sofern es mir die Zeit erlaubt und ich zu dem jeweiligen Thema eine Frage habe oder etwas beitragen kann, werde ich auch dort einmal kommentieren.

        Herzliche Grüße
        Christian Imhof

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