Teamarbeit: Die bösen Geschwister „group think“ und „risky shift“

Jeder soll ja neuerdings teamfähig sein. In Teams lassen sich anscheinend alle Probleme lösen, von kollektiver Ideenlosigkeit bis zur totalen Kundenbindungsstrategie. Teams sollen „high performen“, weil ja „das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile“ (so postuliert es jedenfalls die Gestaltpsychologie). Jede Stellenausschreibung schreit nach Teamfähigkeit.

Doch Teamarbeit kann böse ins Auge gehen, wenn man zwei Phänomene unberücksichtigt lässt, die sich sehr schnell in Teams verbreiten können: das Gruppendenken („group think„) und eine höhere Risikobereitschaft („risky shift„). Wenn eines der beiden Phänomene oder gar beide ungehemmt wuchern, ist es schnell vorbei mit der ersehnten Produkitivität; es kommt zu irrationalen, ja gefährlichen Entscheidungen und unbewussten Gruppendynamiken.

Gruppendenken zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass

  • die Teammitglieder zu unrealistischem Optimismus neigen (das ist besonders gefährlich, wenn ein gewisser Optimismus von der Führungsebene geradezu verordnet wird („Wir haben keine Probleme, nur Herausforderungen!“),
  • kritische Teammitglieder als „Dissidenten“ und „Abweichler“ gebrandmarkt und unter Druck gesetzt werden und diese sich dann aus der Diskussion zurückziehen,
  • man Hemmungen gegenüber ethisch fragwürdigen bzw. irrationalen Entscheidungen abbaut und diese mit subjektiven Rechtfertigungen untermauert,
  • die Teammitglieder die interne Übereinstimmung überschätzen,
  • man Gruppen und Personen außerhalb des Teams abwertet oder mit Vorurteilen versieht,
  • dass sich Personen als „Meinungswächter“ aufspielen, die kritische Meinungen oder Personen sanktionieren.

Der Übergang zur erhöhten Risikobereitschaft ist fließend. Hier trifft das Team vermehrt riskante Entscheidungen, weil

  • die Verantwortung dafür gefühlt auf alle Schultern verteilt wird; man spricht psychologisch von der sogenannten „Verantwortungsdiffusion„. (Ahnliches Beispiel: Viele Menschen stehen um einen Verletzten herum und helfen nicht, weil keiner aus der Masse heraustreten und Verantwortung übernehmen will.)
  • risikobereitere Teammitglieder oft extravertiert ihre Meinung vertreten und so sozial großen Einfluss ausüben. Die leisen, defensiven Stimmen werden möglicherweise überhört.
  • Risikobereitschaft und Aggression teilweise in den Unternehmen sozial erwünscht ist („Los, dem Konkurrenten zeigen wir’s. Wir sind die Besten!“).

Gruppendenken und erhöhte Risikobereitschaft sind gefährliche Gäste am Tisch der Entscheidungsfindung und des Teamverhaltens. Wie kann man sie in Schach halten? Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Man sollte

  1. Teams und Teamleiter in Gruppendynamiken wie group think und risky shift schulen,
  2. bei allen Teamentscheidungen einen advocatus diaboli zu Wort kommen lassen, ein Teammitglied, das bewusst Kritik übt und der Entscheidung auf den Zahn fühlt,
  3. gelegentlich Untergruppen bilden, um in mehreren Entscheidungssträngen zu einer Lösung zu kommen,
  4. eine wichtige Teamentscheidung auch mal sacken lassen, um sie später erneut zu prüfen,
  5. punktuell Fremdpersonen um ihre Meinung bitten: das Mitglied eines anderen Teams oder einer anderen Abteilung beispielsweise (am besten jemanden, der einen völlig anderen Blickwinkel einnehmen kann),
  6. als Vorgesetzter zunächst moderieren und möglichst spät in den Entscheidungsprozess eingreifen.

Am besten drucken Sie sich diesen Artikel aus und nehmen ihn in die nächste Teamsitzung mit. Beobachten Sie, ob das Gruppendenken oder die erhöhte Risikobereitschaft mit am Tisch sitzen. Eventuell gelingt es Ihnen, Gegenmaßnahmen einzuleiten. So gewinnt Ihr Team und Ihr Unternehmen.

P.S.
Letztendlich gehört ein vernünftiges Teamverhalten und sorgfältige, bewusste Entscheidungsprozesse zu einem gelungenen network productivity index, wie ich ihn an anderer Stelle beschreibe.

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