Szene 1: Diese Woche war ich auf einer Veranstaltung des Fraunhofer-Instituts: Es wurde zur „Innovationsoffensive“ für den Mittelstand geblasen. Bei Wein und Häppchen gab es Inputs unter anderem von einem Professor für Innovation und Kreativität, einem Start-Up-Gründer und natürlich eine Präsentation des Fraunhofer-Instituts selbst. In drei Stunden fiel genau einmal der Begriff „New Work“.
Szene 2: Letzte Woche habe ich eine Videorezension zu einem neuen New Work – Buch veröffentlicht. In einer der in diesem Buch genannten (zugegeben sehr kleinen Studie) gaben 51 % der befragten Mitarbeiter an, noch nie etwas von „New Work“ gehört zu haben. Und immerhin galt dieses Unwissen auch für 12 % der Führungskräfte.
Womit wir bei New Work und seinem Problem der Filterblase wären.
Filterblase, die:
Die Filterblase oder Informationsblase ist ein Begriff, der vom Internetaktivisten Eli Pariser [..] verwendet wird. Laut Pariser entstehe die Filterblase, weil Webseiten versuchen, algorithmisch vorauszusagen, welche Informationen der Benutzer auffinden möchte – dies basierend auf den verfügbaren Informationen über den Benutzer (beispielsweise Standort des Benutzers, Suchhistorie und Klickverhalten). Daraus resultiere eine Isolation gegenüber Informationen, die nicht dem Standpunkt des Benutzers entsprechen. (Quelle: Wikipedia)
Filterblasen erzeugen einen Echoraum, in dem sich eigene oder einem selbst genehme Sichtweisen verstärken. Bis man glaubt, das eigene Weltbild entspräche der Wrilichkeit. Man verwechselt die Landkarte mit der tatsächlichen Landschaft. In einer solchen Filterblase befindet sich die New Work – Bewegung, und diese Blase kann nicht von innen verändert werden. Sie ist autokonstitutiv. Sie kann nur von außen aufgestochen werden, sodass sich die Relevanz ihrer Aussagen an der tatsächlichen Welt messen lässt. Und genau dieses „Aufstechen“, dieser Bewährungsimpuls, diese Aufforderung von außen zur Darlegung und Umsetzung von New Work, fehlt in der Gesellschaft. Die Gesellschaft in ihrer Breite misst New Work keine Relevanz bei, wenn es um die Lösung arbeitspolitischer Fragen, der Umgestaltung von Organisationen oder den Anspruch eines sinnvollen Berufs geht. Wie auch? Sie weiß zu wenig davon. Deshalb geht es mir heute um die mediale Breitenwirkung.
Wenn Journalisten nicht wissen, wovon du sprichst, hast du’s geschafft
Ich erinnere mich noch gut an die Burnout-Welle vor ca. fünf Jahren. (Okay, das klingt jetzt ein bisschen wie Opa, wenn er die Pfeife anwirft, sich in seinen Lehnstuhl fallen lässt, die Augen zur Decke hebt und krächzig raunt: „Damals, im Winter 48, DA war es kalt. Da kamen die Wölfe bis zum Dorf.“) Aber egal. Damals hatte ich kurz vorher ein Buch zum Thema Burnout veröffentlicht, das ging wie Schnitzel, weil sich jeder Journalist von der Süddeutschen bis zur Fernsehwoche auf die Welle draufwarf, googelte und das Netz freundlicherweise mein Buch und mich ausspuckte. Damals ging das weit über die Fachmedien hinaus; meine Features und Interviews waren beim BR, SWR, FOCUS, der taz (was mich auch heute noch ungläubig staunend zurücklässt), der Süddeutschen Zeitung und so weiter.
Okay, Namedropping ist natürlich auch ein wenig Angabe, ist aber diesmal nötig, denn es geht mir um folgendes: Das Thema Burnout hat damals in einer breiten Öffentlichkeit gezündet, und zwar so schnell, dass nicht einmal die Journalisten mitkamen. Ich musste Journalisten oft vor einem Interview aufklären, worum es bei Burnout überhaupt geht, worum nicht und so weiter. Da waren sogar bei den Multiplikatoren viele Klischees und viel Unwissenheit im Kopf. Aber egal, die haben wenigstens gefragt. Warum hat das Thema damals schnell gezündet? Weil anscheinend der Bedarf danach in der Bevölkerung einfach riesig war. Man hat mir damals die Tür eingerannt, und das Buch war letztlich auch meine Eintrittskarte in die Speaker-Karriere.
Oh Welt, dein Name sei Ignoranz
Heute, beim Thema New Work: nichts, nada, nothing. Ich veröffentliche dazu (fast) ausschließlich in Fachmedien: managerSeminare, Wirtschaftspsychologie Aktuell, Human Resources Manager, Haufe, XING und so weiter. Die ausführlichen Buchauszüge im Handelsblatt und der Wirtschaftswoche zähle ich hier nicht dazu, da das für mich keine journalistischen Debattenbeiträge im engeren Sinn sind.
Die Unterüberschrift signalisiert zugegeben einen Zug ins Dramatische. Sorry, that’s me. Aber ich will mich gar nicht beschweren. Die fehlende Journalisten-Nachfrage zeigt mir einfach, dass das Informationsbedürfnis bzgl. New Work in der breiten Öffentlichkeit noch nicht hoch genug ist für einen tipping point (wie damals bei Burnout). Ich merke das auch immer wieder in persönlichen Gesprächen, in denen ich erklären muss, was New Work ist (und was nicht). Es fehlt die Verständnisbrücke, man bringt die eigene Arbeit noch nicht zusammen mit Sinnfindung, Glück oder dem Paradigmenwechsel durch Digitalisierung bzw. Automatisierung. Diese Begriffe haben für die breite Masse mit Arbeit oder eben Neuer Arbeit schlicht nichts zu tun.
Deshalb bin ich scharf darauf, in die BUNTE zu kommen. Wenn ein Redakteur der BUNTEN anruft, von New Work keine Ahnung hat, aber ein Interview will, weiß ich: Jetzt ist das Bedürfnis der Masse da. Die Welle rollt.