Wir sollten Führungskräfte auch fürs Nichtstun bezahlen

Wann kann eine Führungskraft mehr Schaden anrichten: Wenn sie etwas tut oder etwas lässt? Schwierige Frage. Aber allein die Vorstellung des Lassens, des Nichtstuns ist für viele Führungskräfte ein Tabu. Führungskräfte sollen ja bekanntlich tatkräftig, entscheidungsfreudig, immer am Ball sein. Mittendrin statt nur dabei.

Im Ergebnis sind viele Führungskräfte gehetzt, überfordert, gehen unter im Alltags-Klein-Klein, verlieren schnell die Freude an ihrer verantwortlichen Position. Das ist schade und müsste auch nicht sein. Ich will hier aber keine Bresche schlagen für die Reduktion von Meetings oder schlankere Meetings oder Produktivitäts-Tricks. Mir geht es um die innere Einstellung.

Neulich habe ich Führungskräfte bei einer Veranstaltung in Berlin gefragt: Wofür werdet ihr eigentlich bezahlt? Das haben die dann durchaus angeregt diskutiert – vielleicht weil sie das bisher noch keiner gefragt hat. Doch auch hier war der Tenor: Machen, entscheiden, voranbringen. Bloß keine Passivität, kein Stillstand.

Ich habe das dann mit der angeblich modernen Führungsauffassung ins Verhältnis gesetzt, wonach Chefs auch mit ihren Mitarbeitern sprechen sollen, zuhören sollen. Und mir drängt sich die Frage auf: Wie kann ich denn WIRKLICH mit jemandem reden, wenn ich vorher nicht ein wenig darüber nachgedacht habe, was ich sage? Wie kann ich denn zuhören, wenn ich innerlich schon beim nächsten Meeting bin? Wir reden im Business zwar oft miteinander, wirklich verstehen tun wir uns oft nicht. Weil wir gehetzt sind, weil wir nicht zuhören, weil wir mit unseren Gedanken längst woanders sind. Dabei wird Gespräch, Austausch, Zusammenarbeit immer wichtiger. Heutzutage wird eben viel im Team erledigt, egal ob im Office oder im Shopfloor.

Ich plädiere daher für ein Recht auf fünfzehn Minuten tägliches Nachdenken für Führungskräfte. Die meisten bringen es nicht mal darauf – weil sie ständig beansprucht werden. Wenn Herr Schmidt als Teamleiter in der Kantine bei einem Kaffee sitzt und vor sich hinschaut, sollte kein dummer Spruch kommen a la „Na, bei dir fängt der Feierabend heute auch früher an“. Sondern es sollte klar sein, dass Herr Schmidt für die Firma gerade wertvolle Arbeit leistet: Er schaltet nämlich gerade ungestört sein Hirn für seine Arbeit ein, und das ist heutzutage eine rare und kostbare Tätigkeit. Und weil Führungskräfte besonders im Komplexen arbeiten, sollten sie fünfzehn Minuten am Tag ungestört nachdenken dürfen – egal wo, egal wann. Aus diesen fünfzehn Minuten kann Wertvolleres erwachsen als aus zwei Stunden hektischen Herummachens.

Wer weiß, vielleicht heißt es dann beim nächsten Einstellungsgespräch: „Übrigens, nachdenken dürfen Sie bei uns auch. Wir haben dafür sogar eine Extrazeit reserviert. Und bezahlt werden Sie auch noch dafür.“

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