Das war der Global Solutions Summit 2024

Jedes Jahr  treffen sich über 1.000 Menschen aus aller Welt in Berlin, um über Nachhaltigkeit und die Zukunft des Planeten zu diskutieren. Was passiert dort?

Was machen über 1.000 Live-Teilnehmer aus aller Welt und über 1.000 online (Politiker, Wissenschaftler, NGOs und einige Business-Typen wie ich) zwei Tage in Berlin? Sie unterhalten sich darüber, wie man die Welt retten kann. Unter diesem Anspruch macht es der jährliche „Global Solutions Summit“ nicht. Es ist, wie es einer der Teilnehmer am Kaffeetisch ausdrückte, „das Davos für ESG“.

Ich hatte schon letztes Jahr eine Einladung erhalten, aber leider keine Zeit gehabt. Nun wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, auf Tuchfühlung mit Bill Gates, Robert Habeck, Olaf Scholz und Margarete Vestager zu gehen. Natürlich kommt man an diese Promis nicht persönlich ran, aber interessant ist es schon, diese Leute live zu erleben. Man bekommt einfach einen vollständigeren Eindruck von der Person als wenn man sie nur am Bildschirm sieht.

Licht und Schatten

Was mich einerseits beeindruckte, war das Setting. Die ESMT Berlin ist im ehemaligen Gebäude des DDR-Staatsrats untergebracht, ein weitläufiges, imposantes Gebäude, in dem noch vieles original erhalten ist: die Wandvertäfelungen aus Kirschholz aus den 1960ern, die Wandgemälde aus Meißener Porzellan mit den typischen DDR-Kunstmotiven, ein riesiges Glasbild über zwei Etagen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass im früheren Epizentrum des deutschen Sozialismus nun eine kapitalistische Hochschule residiert.

Andererseits war ich von der Struktur der Sessions ziemlich enttäuscht. Man muss sich das so vorstellen: In einer Session saßen etwa vierzig bis siebzig Personen in einer Art Hörsaal: außen das Publikum, innen die Akteure (zumeist vier bis fünf). Jeder Akteur hatte – zumindest in den Sessions, in denen ich war – in der Regel etwa fünf Minuten Zeit, seine Sicht der Dinge zum Thema abzugeben., mitunter in schlecht verständlichem Englisch und mit schlechten Slides.

Ein “Solutions Summit” ohne Lösungen

Das war aber nicht das Hauptproblem. Dieses bestand darin, dass nirgendwo Lösungen, eben „Solutions“ produziert wurden, wie es in den beiden Tagen immer wieder mantraartig betont wurde. Der innere Session-Zirkel tauschte seine Statements aus, dann war noch Zeit für eine oder zwei Fragen, das war’s. Ich fand das höchst unbefriedigend. Da waren teilweise wirkliche Super Brains wie die Neuropsychologin Tanja Singer im Raum, dazu Menschen, die buchstäblich aus der ganzen Welt eingeflogen worden waren – und man kommt nicht einmal dazu, wenigstens ansatzweise neue Ideen zu entwickeln.

Dabei hätte man es mit interaktiven Wokrshop-Formaten wie den Liberating Structures deutlich besser machen können. Aber anscheinend sind solche Werkzeuge immer noch zu unbekannt – was eine echte Schande ist. Als Prozessbegleiter saß ich in den beiden Tagen in vielen Sessions und dachte mir: Schade, was für eine vergebene Gelegenheit!

Ich habe dann in den Kaffeepausen bei anderen Teilnehmern nachgefühlt, und denen ging es teilweise ähnlich. Ich habe dann ein entsprechendes Feedback bei den Veranstaltern abgegeben; mal schauen, ob sie auch mal interaktive Formate einfließen lassen. Es wäre dem Summit zu wünschen. Das Ziel und der Teilnehmerkreis ist ja toll, aber ergebnisorientiertes Arbeiten sieht meiner Meinung nach anders aus.

Fazit

Braucht es Formate wie den Global Solutions Summit? Unbedingt. Werde ich nächste Jahr wieder hinfahren? Eher nicht. Mein Ärger über verpasste Lernchancen würde wahrscheinlich die Faszination der Location und der Teilnehmer zu sehr trüben.

 
 

Über mich

Markus Väth

Als Arbeits- und Organisationspsychologe bemühe ich mich, die Dinge immer ein Stück weiter zu denken. Ich halte Keynotes bei Konferenzen und Unternehmen, gebe Führungskräfte-Workshops und arbeite als Coach. Darüber hinaus habe ich mehrere Bücher verfasst, schreibe eine monatliche Kolumne für das CAPITAL-Magazin und bin Host des Podcasts “Radikal Arbeiten”.